Die Begriffe „Digitalisierung“ und „Digitale Transformation“ gehören mittlerweile zum Mainstream angesagter und lukrativer Strategiemaßnahmen. Zu oft werden beide sogar synonym verwendet und noch mit der düsteren Vorsehung der “Disruption” garniert. Dabei steckt hinter beiden Maßnahmen eine ganze Bandbreite an strategischen Optionen, und deren Reduktion ein Schlagwort der jeweiligen Tragweite nicht gerecht wird. Höchste Zeit, die beiden Aspekte einmal grundlegend zu entwirren und anhand von Merkmale wie Wertgrundlage, Entwicklungsverläufe, Automatisierung und Grad der Kulturveränderung zu beleuchten.
Information als Ressource
„Information ist das Öl von morgen“ – die oft zitierte und pointierte Aussage ist der erste gedankliche Zugang sowohl zu Digitalisierung als auch Digitaler Transformation. Ihr Umgang ist in beiden Szenarien jedoch gänzlich unterschiedlich. Während bei Digitalisierung analoge Information in digitale Daten übersetzt werden (und die Basis für effektive Abläufe wie z.B. papierlose Büros bilden), stellen im Rahmen der digitalen Transformation Informationen ein Kapital in Form zentraler immaterieller (Unternehmens)Werte dar. Sie sind zentrale Grundlage neuer Geschäftsmodells oder digitaler Lösungen und können veränderten Mechanismen erzeugt, genutzt, vervielfacht und vertrieben werden. Im Gegensatz zu materiellen Werten sind Sie nicht an physische Gegebenheiten gebunden.
Evolution und Revolution
Wenn sich Organisationen weiterentwickeln, zeigen sie sowohl kontinuierliche (stetige) als auch diskontinuierliche (stufenhafte) Entwicklungszüge. Während Digitalisierung stufenhafte und systematische Entwicklung in Form einer Evolution darstellt (z.B. Ausbau vernetzter Produktionsanalagen) ist Transformation durch stetigen Wandel Geschäftsmodell und Kultur des Unternehmens charakterisiert und kommt oft einer Revolution gleich, wenn sich Produkte und Märkte ändern.
Grad der Automatisierung.
Automatisierung / Robotisierung wird mit wirksamer Effizienzsteigerung und Digitalisierung gleichgesetzt, Abläufe können fast völlig ohne Interaktion stattfinden. Digitale Transformation hingehen nutzt den erzeugten Automatisierungseffekt, um neue Stufen der Wertschöpfung für Leistungen zu ermöglichen, die vorher nicht möglich waren. Prominente Beispiele hierfür sind Plattformen wie z.B. Webshops (Amazon).
Dimension der Kulturveränderung
Der Umgang mit digitalen Informationen und damit verbunden Veränderungen der Kultur ist für Digitalisierung und Transformation durchaus unterschiedlich. Anschaulich hierfür wäre folgendes Beispiel aus dem Medizinwesen: Die Digitalisierung ermöglicht neue Vernetzungsmöglichkeiten zwischen Ärzten, Patienten und Krankenversicherungen. Sowohl technische Möglichkeiten (vernetzte Geräte, elektronische Patientenakten) als auch neue Behandlungsformen, (Telekonsile) sind nunmehr möglich. Jedoch nützt dieser Fortschritt wenig, wenn die Arbeitskultur einer Klinik so gestaltet ist, dass Ärzte auf Basis eines mangelnden Vertrauens in die Technik eine Überweisung a) im PC schreiben b) ausdrucken c) unterschreiben d) einscannen. Die Digitale Transformation adressiert die Wahrnehmung der Menschen auf die digitalen Abläufe und verändert diese tiefgreifend.
Warum ist es wichtig, die beiden Begriffe zu trennen? In der Weiterentwicklung von Unternehmen stellt dies eine wichtige Marke zur Zielfindung dar, um Klarheit von Prioritäten und Entwicklungspfaden zu schaffen. Dies ist der erste und wichtige Schritt zur planvollen und gesteuerten Entwicklung (anstatt opportunistischer Zufallstreffer).