Kai Ketzer

Die drei häufigsten Fehler im Design Digitaler Geschäftsmodelle

Heute hatte ich das Privileg, als Sparringspartner für ein Business Modell zu fungieren. Die Vorbereitung war wirklich gut: Marktbetrachtung, Zielgruppenanalyse (Pain & Gain) und ein ansprechendes Portfolio aus Leistungen, die den Kunden nutzen stiften sollten. Was soll nach so einer Präsentation schon schiefgehen, das Modell erschien perfekt ausgearbeitet. Fast jedenfalls, denn je tiefer wir in das Gespräch eintauchten, desto mehr wurde uns bewusst dass das Modell oberflächlich gut aussah – den Kern des eigentlichen Bedarfs aber nicht erfasste. Was war passiert?

Zu viel (digitale) Fachlichkeit, zu wenig Emotion

Im Gespräch wurde klar, das Modell wurde von einem Experten ausgearbeitet, der die Fachlichkeit verstand. Präzise, Trennscharf und Glasklar wurde der fachliche Nutzen analysiert und dargestellt. Aus einer fachlichen Sicht passte das Modell, jedoch fehlte eine emotionale Komponente. Warum erfährt ein Kunde einen Vorteil, wenn er die Leistung in Anspruch nimmt? Rationale Argumente sind hilfreich – kaufen erfordert aber auch eine affektive Entscheidung (“Bauchgefühl”) die sich nicht über Fachlichkeit greifen lässt. Das Modell reflektierte nicht ausreichend Emotion, war kühl und rational distanziert.  Das Takeaway: Nutzen entsteht subjektiv und affektiv – nicht rational.  Die Rolle der Customer Jobs aus dem Value Proposition Design und die Klarheit einer Customer Journey bieten die Möglichkeit, mit den Wertangeboten auch die emotionalen Aspekte des Kunden zu adressieren.

Die Frage nach dem Warum

Während des Gespräches konnten wir verschiedene Wertaussagen und Formen von Nutzen beleuchten. Doch erst das mehrmalige Nachfragen mit folgenden Triggern offenbarte den eigentlichen Bedarf und das Potential, diesen zu befriedigen:

  1. Was meinst Du damit?
  2. Wofür braucht der Kunde das?
  3. Warum ist das wichtig?

Durch die Beantwortung dieser Fragen konnten wir hinter das Offensichtliche blicken. Es wurden Perspektiven formuliert, die vorher nur als indirekte Annahmen präsent waren jedoch wesentlich zum Nutzen des Kunden beitragen. Das Takeaway: Im Dialog wird  klar, dass der tatsächliche Bedarf der Kunden weit tiefer hinter den Formulierungen eines angenommenen Nutzen verborgen liegt. Die im Design Thinking gängigen “Pain & Gain” Analysen sind sehr hilfreich – fallen Sie jedoch oberflächlich aus, kann das Produkt nicht die Leistung zeigen, die den Bedarf tatsächlich reflektiert.

Think inside the box

Je länger wir das Modell reflektierten, desto mehr wurde uns zwei Dinge bei der Leistungsbeschreibungen bewusst: Sie überschnitten sich oder wiederholten denselben Leistungsumfang nur in anderen Worten. Das führte zu der Frage, ob das Modell ausreichend differenzierte Leistungen zur Verfügung stellt. Das ist der Fall, wenn die Lösung schon im Kopf vorweggenommen wird (oft sogar schon technisch). Der Fahrplan existiert  schon gedanklich, er muss “nur” noch verschriftlich werden. Dieses Herangehen ist jedoch nicht ohne Risiko. Das Takeaway: Geniale Geschäftsmodelle gehen einen anderen Weg, Sie beantworten die Frage “was müsste sein” anstatt “was kann sein”. Der Unterschied? Die Breite der möglichen Lösungen ist weniger eingeschränkt und kann mehr Potenzial entfalten, den Bedarf zu befriedigen anstatt sich auf bereits bestehende Leistungen oder Produkte zu beschränken.